DOMODOSSOLA-19-12-2018-Jahrelang hielt er die Schrecken des Krieges vom Sudan bis in den Irak, von Somalia bis Afghanistan auf Fotos fest. Jetzt hat er sich entschlossen, das Meer und seine Menschen zu fotografieren. Eigentlich wollte er dem Horror durch eine einsame grosse Segeltour im Mittelmeer entfliehen, um auf diese Art zur inneren Ruhe zurückzufinden. Daraus ist nun aber eine neue Aufgabe geworden: alles fotografisch festzuhalten, was dem Meer schadet - Plastik, Abfall, Reifen, Autobatterien... Seine Bilder klagen an, belegen aber auch den Widerstand der schönen Natur.
Der Fotograf ist der 30jährige Alessandro Rota aus Domodossola. Trotz seiner jungen Jahre hat er bereits eine lange Berufserfahrung: Seine Aufnahmen aus den Kriegsgebieten sind in so bedeutenden Zeitungen wie dem Guardian und dem Corriere erschienen. Auszeichnungen erhielt er in Los Angeles und Moskau; derzeit hat er in Australien eine Ausstellung über das Volk der Jesiden im Irak.
Seinem Werk war kürzlich eine ganze Seite im "Corriere della Sera" gewidmet. Darin beschreibt er den Grund für seine Aufgabe der Kriegsfotografie: Bei der Bombardierung von Mossul sah er, wie ein kleiner Junge ums Leben kam. "Er war vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Sein Oberkörper war weit aufgerissen, er war am Verbluten. Seine Eltern und die drei Geschwister waren bereits tot. Er war der letzte aus dieser Familie, der sich noch bewegte. Ich hielt inne und realisierte, dass es wesentlich einfacher ist, den Tod eines Soldaten, allenfalls auch eines Erwachsenen, zu fotografieren. Aber zu sehen, wie ein übriggebliebenes kleines Kind am Sterben ist, das kann man nicht verstehen. Nie zuvor hatte ich ein so unschuldiges Kind in einem derart sinnlosen Krieg gesehen", erzählte er im Interview. Dies geschah im März 2017.
In den Tagen und Wochen danach stürzte Alessandro in eine Krise. Später erfuhr er, dass es sich dabei um ein typisches Kriegssyndrom handelte, eine Art posttraumatischer Stressstörung.
Im Bestreben, zu einer neuen Normalität zurückzufinden, beschloss er, der früher als Tauchinstruktor gearbeitet hatte, zum Meer zurückzukehren. Auf einer neun Meter langen "Alpa" stach er ins MIttelmeer. Zwischen den griechischen Inseln, Sizilien, Malta und Kreta geriet er in neue Situationen und hatte neue Erlebnisse. Und plötzlich erwachte in ihm wieder das Bedürfnis zu fotografieren.
Jetzt sind wir gespannt auf die Fotos, die er nach all seinen Eindrücken mitbringen wird.